Dezember 2, 2021

Arbeiten hinter Gittern

Toussaint Losier

Unfreie Arbeit ist in den Vereinigten Staaten noch immer weitverbreitet – auch anderthalb Jahrhunderte nach dem Bürgerkrieg, der ihr angeblich ein Ende gesetzt hat. Paradoxerweise ist sie just aufgrund der Verfassungsänderung, mit der die Sklaverei im Jahr 1865 abgeschafft wurde, immer noch legal.


Häftling bei der Arbeit. Foto: Stockfoto

Im Jahr 2018 veröffentlichte Jailhouse Lawyers Speak (JLS), ein Netzwerk von Anwälten, die sich für die Rechte inhaftierter Häftlinge einsetzen, eine Liste von Missständen in den Gefängnissen, in der die dort verbreitete Praxis der unfreien Arbeit angeprangert wurde. Sie forderten Verbesserungen der Haftbedingungen, eine Reform der harten Strafvollzugspraxis und die Wiederherstellung grundlegender verfassungsmäßiger Rechte der Inhaftierten.

Eine zentrale Forderung war die sofortige Beendigung der modernen Sklaverei in den Gefängnissen. Mehr als die Hälfte der gut 1,5 Millionen Männer und Frauen in den Haftanstalten der Bundesstaaten und des Bundes sind durch Zwang und geringe Entlohnung davon betroffen. Gefangene, die arbeiten, sollten den im jeweiligen Bundesstaat üblichen Lohn erhalten, so die JLS-Anwälte. Indem sie die unbezahlte Gefängnisarbeit als eine Form der Sklaverei bezeichneten, warfen sie ein Schlaglicht auf das fortdauernde Erbe der Sklaverei in den USA – mehr als eineinhalb Jahrhunderte nach ihrer Abschaffung.

Die JLS-Erklärung war zugleich die erste öffentliche Ankündigung des nationalen Gefängnisstreiks von 2018. Die Proteste begannen am 21. August jenes Jahres, dem Todestag des 1971 im Gefängnis ermordeten Schwarzen Revolutionärs George Jackson. Sie reichten von Arbeitsniederlegungen und Hungerstreiks bis zu Sitzstreiks und dem Boykott der Läden, in denen die Gefangenen Lebensmittel und andere Dinge kaufen können.

Es waren hauptsächlich Schwarze Gefangene, die ihre Mitgefangenen überzeugten, sich an den Aktionen zu beteiligen. Rassistische Vorurteile, strukturelle Benachteiligungen und die Anti-Drogen-Politik in den USA führen dazu, dass sich unverhältnismäßig viele Afroamerikaner*innen in Haft befinden. Sie machen zwar nur 13 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung aus, aber 34 Prozent der Gefängnisinsassen.

Der bundesweite Gefängnisstreik machte auch deutlich, wie die USA die Masseninhaftierung als System der sozialen Kontrolle nutzen, das sich vor allem gegen ihre ärmsten Bürger und Bürgerinnen richtet. Eine Studie von 2017 schätzt, dass inhaftierte Menschen landesweit zwischen 86 Cent und 3,45 Dollar pro Tag für Arbeiten wie Reparaturen, Wäscherei, Putzen und Kochen verdienen – alles Arbeiten, die zu Wartung und Betrieb der Haftanstalt beitragen. Etwa sechs Prozent der Gefangenen in Bundesstaatsgefängnissen arbeiten für staatliche Unternehmen. Sie prägen zum Beispiel Nummernschilder, montieren Möbel oder bekämpfen Waldbrände und verdienen damit immerhin das Doppelte der anderen Gefangenen. Die wenigen, die einen ortsüblichen Lohn erhalten, arbeiten für private Unternehmen, die Verträge mit staatlichen Gefängnissen abschließen.

Und noch etwas zeigte die Studie auf: In Alabama, Arkansas, Florida, Georgia, South Carolina und Texas – alles ehemalige Sklavenhalterstaaten, deren Abspaltung Auslöser des Bürgerkriegs von 1861 bis 1865 war – werden Gefängnisjobs oft gar nicht bezahlt. Möglich ist dies paradoxerweise aufgrund des 13. Zusatzartikels zur US-Verfassung, der zwar die Sklaverei abschaffte, aber die Bestrafung eines Verbrechens davon ausnahm. Ob schlecht oder gar nicht bezahlt, die Arbeit wird zudem oft unter Zwang geleistet. Es gibt kaum Vorschriften oder Kontrollen, die die Vollzugsbeamten daran hindern, die Gefangenen durch die Androhung von Einzelhaft oder anderen Strafen zur Arbeit zu bewegen. Schätzungen zufolge beläuft sich der Wert der bezahlten und unbezahlten Gefängnisarbeit auf mindestens zwei Milliarden Dollar jährlich.

Zu den ersten Protesten in Solidarität mit dem Gefangenenstreik von 2018 gehörte die Arbeitsniederlegung von inhaftierten Asylbewerber*innen im Northwest Detention Center in Tacoma, Washington. Diese von dem Unternehmen GEO Group im Auftrag der US-Einwanderungs- und Zollbehörde betriebene private Einrichtung ist berüchtigt für die harten Haftbedingungen und dafür, dass die Insassen für einen Dollar pro Tag arbeiten müssen, während sie auf eine Entscheidung über Asyl oder Abschiebung warten. Solche privat betriebenen Anstalten, in denen 70 Prozent der Inhaftierten Migrant*innen sind und nur etwa 10 Prozent Bundes- oder Bundesstaatsgefangene, sind für ihr brutales Vorgehen gegen Arbeitsverweigerer berüchtigt.

Der Gefangenenstreik, dem sich die Insassen von mindestens 16 Haftanstalten angeschlossen hatten, endete nach knapp drei Wochen am 9. September, dem Jahrestag des blutigen Aufstands im New Yorker Attica-Gefängnis von 1971. Der Streik hatte eine beispiellose mediale Aufmerksamkeit und die Unterstützung von mehr als 200 Nichtregierungsorganisationen erhalten.

Nach den Präsidentschaftswahlen 2020 brachten mehrere demokratische Kongressabgeordnete eine Resolution ein, um die Ausnahme für den Strafvollzug aus dem 13. Verfassungszusatz zu streichen. Doch sie konnten nicht genügend Unterstützer*innen für eine Verfassungsänderung hinter sich bringen. Die Regierung von Präsident Biden hat seitdem kaum etwas getan, um die Löhne für Gefängnisarbeit zu erhöhen oder die unfreie Arbeit in privat betriebenen Einrichtungen einzuschränken. In den Verfassungen von mehr als 20 Bundesstaaten gibt es immer noch Klauseln, die unfreiwillige Knechtschaft beziehungsweise Zwangsarbeit zulassen.

Toussaint Losier ist Assistenzprofessor am W.E.B. Du Bois Department of Afro-American Studies an der University of Massachusetts-Amherst. Er war stellvertretender Vorsitzender der Chicago Anti-Eviction Campaign und Gastwissenschaftler am Charles Warren Center for Studies in American History der Harvard University. Derzeit ist er Stipendiat der Woodrow Wilson National Foundation zur Förderung der Karriere. Er ist Co-Autor von Rethinking the American Prison Movement (Routledge, 2017) mit Dan Berger und bereitet ein Buchmanuskript mit dem vorläufigen Titel War for the City: Black Liberation and the Consolidation of the Carceral State.