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Ein neues Policy Paper, verfasst von der Genfer Programmdirektorin der RLS, Eva Wuchold
Eva Wucholds Policy Paper ist ein Aufruf, das internationale Menschenrechtssystem angesichts wachsender Bedrohungen durch Autoritarismus, wirtschaftliche Ausbeutung, religiösen Fundamentalismus und rechtsextreme Bewegungen neu zu politisieren und zu beleben. Die Angriffe auf die Menschenrechte sind keineswegs nur symbolisch – sie sind Ausdruck struktureller Krisen und gezielter Machtdemonstrationen, die Universalität und Durchsetzbarkeit menschenrechtlicher Normen untergraben.
Das Papier zeigt auf, wie internationale Mechanismen – von den Vereinten Nationen bis zu regionalen Gerichtshöfen – unterfinanziert, politisch blockiert und selektiv angewendet werden und dabei häufig gerade jene Bevölkerungsgruppen im Stich lassen, die sie schützen sollen. Fallbeispiele aus Gaza, der Ukraine, dem Sudan und Myanmar verdeutlichen die gefährliche Normalisierung von Rechtsverletzungen und die geopolitischen Doppelstandards in den internationalen Reaktionen.
Wuchold betont, dass Menschenrechte als politische Strategie zurückgewonnen werden müssen – nicht nur als juristisches Rahmenwerk. Sie sollten genutzt werden, um systemische Ungleichheit zu bekämpfen, Klimagerechtigkeit einzufordern und globale Governance zu demokratisieren. Statt technokratischer Ansätze braucht es ein Denken in globaler Gerechtigkeit und kollektiver Mobilisierung.
Ein zentrales Thema ist das Fehlen einer geeinten, transnationalen Menschenrechtsbewegung. Zwar existieren viele basisnahe und thematische Kämpfe – insbesondere im Globalen Süden –, doch sie operieren oft isoliert, fragmentiert durch ungleiche Ressourcen, geopolitische Hierarchien und begriffliche Trennlinien. Das Papier plädiert für eine „Bewegung der Bewegungen“, die feministische, ökologische, antirassistische und dekoloniale Kämpfe unter einer gemeinsamen politischen Vision vereint.
Geschlechtergerechtigkeit wird als zentraler Gradmesser menschenrechtlicher Verbindlichkeit hervorgehoben – weltweit angegriffen, aber zugleich Ausgangspunkt für eine feministische Neuausrichtung von Friedens- und Sicherheitspolitik. Das Papier würdigt feministische Bewegungen als Wegbereiterinnen einer ganzheitlichen Menschenrechtsagenda, die Sorgearbeit, reproduktive Rechte und kollektive Sicherheit ins Zentrum stellt.
Wuchold schließt mit der Feststellung: So fehlerhaft und fragil das internationale Menschenrechtssystem auch sein mag – es aufzugeben wäre fatal. Stattdessen muss es kritisch verteidigt und als dynamisches, partizipatives und an Gerechtigkeit orientiertes Projekt neu gedacht werden. Fortschritt entsteht nicht durch Reform von oben, sondern durch Mobilisierung von unten – durch eine globale Allianz, die Rechte nicht als Zugeständnisse begreift, sondern als Errungenschaften des gemeinsamen Kampfes.