April 5, 2022

Klimaforscher fordern einen Vertrag zur Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe

Julia Steinberger

Gestern hat der jüngste Bericht des Weltklimarats (IPCC) den wissenschaftlichen Konsens bekräftigt, dass die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C nur möglich ist, wenn die Produktion fossiler Brennstoffe eingeschränkt wird.


Das Zeitfenster für Maßnahmen ist zwar klein, aber immer noch vorhanden, wenn die Regierungen beschließen, endlich schnell und gemeinsam zu handeln. Wie Antonio Guterres, der UN-Generalsekretär, es ausdrückte: „Die wirklich gefährlichen Radikalen sind die Länder, die die Produktion fossiler Brennstoffe erhöhen. Investitionen in neue Infrastrukturen für fossile Brennstoffe sind moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn“. Dies gilt sowohl für die Klimakrise als auch für den Ukraine-Krieg.

Dessen Dringlichkeit zu leugnen heißt die Wissenschaft zu leugnen.

Wie dieser Bericht nachweist, liefern wir immer mehr Nachweise, die die Notwendigkeit radikaler und schneller Maßnahmen aufzeigen, um die Hauptursache der Klimakrise anzugehen: die Produktion fossiler Brennstoffe. Auch die IEA, die für ihre konservativen Positionen bekannt ist, mit denen die Industrie fossiler Brennstoffe begünstigt wird, hat ihr erstes Szenario einer globalen Erwärmung um 1,5 °C veröffentlicht, in dem das Ende der Ausdehnung fossiler Brennstoffe gefordert wird.

Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Klima sind eine deutliche Warnung, aber auch ein neues Hoffnungssignal.  

Zwar läuten die Alarmglocken, aber wir haben immer noch ein Zeitfenster, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern, wenn wir mutige und schnelle Maßnahmen ergreifen, um aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen.  Solange wir uns schnell genug bewegen, wenn wir Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas einstellen können, werden in der Tat die globalen Temperaturen fast sofort aufhören, weiter anzusteigen. Dieses Ergebnis macht einen gewaltigen Unterschied aus; es bedeutet, dass die Menschheit sich an einem Punkt befindet, an dem wir die größten Auswirkungen immer noch verhindern können. Wir sind nicht unwiderruflich verloren, wenn wir mutige und schnelle Maßnahmen ergreifen. Für die am meisten betroffenen Gemeinschaften, Urbevölkerungen und junge Menschen, deren Zukunft so ungewiss ist, ist dies eine höchst wichtige wissenschaftliche Information, die die bereits im Gange befindlichen Mobilisierungen und Anstrengungen vervielfältigen kann.

Dieser neueste IPCC-Bericht ist der zweite veröffentlichte Bericht seit Beginn des Krieges in der Ukraine, eines entsetzlichen Konflikts, der durch jahrzehntelange Abhängigkeit von Öl und Gas und die von Natur aus brutale Art der Nutzung fossiler Brennstoffe finanziert wird. Wir müssen aufhören, uns auf fossile Brennstoffe zu stützen, da diese die Wurzel der Klimakrise, aber auch die Wurzel des Krieges sind. Das Versäumnis, Maßnahmen für einen gerechten Übergang auf der Basis sauberer Energie zu ergreifen, hat Russland in der Tat die Macht gegeben, Öl- und Gaserträge in Waffen umzuwandeln, um unschuldige ukrainische Zivilisten zu töten. Aktivisten vor Ort, die von Hunderten von Organisationen auf der ganzen Welt unterstützt werden, rufen Regierungen, Unternehmen und Finanzinstitute auf, sofort alle fossilen Brennstoffe aus Russland abzustoßen, jeglichen Handel damit einzustellen und diese einem Embargo zu unterlegen. Dies im Namen der Freiheit und der Menschenrechte für Ukrainer, aber in einem weiteren Sinne auch im Namen der verletzlichsten Länder, die seit Jahren jeden Tag Konflikte wegen fossiler Brennstoffe erleben.

Mutige und sofortige Maßnahmen, um aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, sind die Lösung, nach der die Wissenschaft ruft, aber zurzeit gibt es keinen internationalen Mechanismus, um diesen Übergang zu bewältigen.

Das Pariser Abkommen, so wichtig es auch ist, erwähnt Kohle, Öl oder Gas nicht einmal. Dies hat zu einer geplanten Ausdehnung fossiler Brennstoffe geführt, die überhaupt nicht im Einklang mit den neuesten wissenschaftlichen Ergebnissen steht. In der Tat würden nach dem neuesten Produktionslückenbericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen bis 2030 die Produktionspläne der Regierungen zu 240 % mehr Kohle, 57 % mehr Öl und 71 % mehr Gas führen, als es der Temperaturgrenze von 1,5 Grad entspricht. 


Foto: Markus Spiske / Unsplash

Die Wissenschaft ruft zu einem globalen Übergang weg von fossilen Brennstoffen auf – um diesen Übergang zu bewältigen, müssen wir globale Lösungen umsetzen, die in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der Krise stehen. Ein solcher Richtlinienrahmen ist ein Vertrag zur Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe, ein neuer verbindlicher Mechanismus, um die Produktion fossiler Brennstoffe zu bekämpfen.

Nur ein neues Abkommen auf der Basis einer internationalen Zusammenarbeit, um die Produktion fossiler Brennstoffe einzuschränken, kann zu einem koordinierten und gerechten globalen Übergang führen, der Gemeinden, Arbeitnehmer und Länder dabei unterstützt, sichere und gesunde Lebensgrundlagen zu schaffen. 

Dies wäre nicht das erste Mal, dass die internationale Gemeinschaft Verträge genutzt hat, um vordringliche Risiken abzumildern, denen die Welt gegenübersteht. Der Vorschlag eines Vertrages zur Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe stützt sich auf Lehren aus globalen Anstrengungen, die Verbreitung von Nuklearwaffen zu beenden und ozonabbauende Chemikalien, Landminen und andere Bedrohungen für die Menschheit zu verbieten. Er wird Maßnahmen im Rahmen von drei Säulen vorantreiben:

  1. Nichtverbreitung: Das Problem nicht noch größer machen. Ein sofortiges Ende der Ausdehnung in neue Kohle-, Öl- und Erdgasreserven würde die weltweite Produktion von Kohlenstoffemissionen begrenzen.
  2. Fairer Ausstieg: Die bestehende Bedrohung beseitigen. Da bereits in Betrieb gegangene Öl- und Gasfelder und Kohlebergwerke mehr Kohlenstoff enthalten, als im Rahmen des Zieles von 1,5 °C verbrannt werden können, ist der Ausstieg aus diesen aktuellen Vorräten ein dringend benötigter Schritt, um die Welt unter den Temperaturgrenzen des Pariser Abkommens zu halten.
  3. Gerechter Übergang: Einen gerechten Übergang beschleunigen. Jeder Arbeitnehmer, jede Gemeinde und jedes Land muss auf dem Weg zu einer schnellen Verfolgung aller Lösungen weitestgehend berücksichtigt werden. Nur ein proaktiver Plan, um eine wirtschaftliche Streuung zu ermöglichen, erneuerbare Energien und andere zuverlässige, kostengünstige Lösungen mit wenig Kohlenstoff einzurichten, wird die Bedürfnisse einer nachhaltigen Zukunft erfüllen können.

Zahlreiche Klimaexperten gehören zu den annähernd 3000 Wissenschaftlern, die dem Ruf nach einem Vertrag zur Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe zugestimmt haben. Unser offener Brief baut auf diesem klaren und dringenden wissenschaftlichen Konsens auf, dass die Welt die Klimakrise an ihrer Quelle bekämpfen muss. Mit unserem Aufruf erkennen wir auch, dass das Versagen von Regulierungen auf nationaler und internationaler Ebene dazu geführt hat, dass Länder mit der einen Hand Klimaverpflichtungen eingehen und mit der anderen die Gewinnung fossiler Brennstoffe ausbauen. Der Vertrag könnte diesen Schwachpunkt beheben, indem die Produktion von Kohle, Öl und Gas ausdrücklich bekämpft wird.

Und wir sind nicht allein. Unser Aufruf zu einem Vertrag über fossile Brennstoffe wurde auch von 1300 Organisationen der Zivilgesellschaft, 101 Nobelpreisträgern, 40 Städten, Hunderten von Jugendaktivisten, 1000 religiösen Führern und über 170 national gewählten Parlamentariern unterstützt.

Bis COP 27 wird der sechste IPCC-Bewertungszyklus geschlossen, und die wissenschaftlichen Argumente, gepaart mit dem schrecklichen Krieg in der Ukraine, machen unsere Forderung nach einem globalen Mechanismus für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen dringlicher als je zuvor. Wir müssen das tödliche System der fossilen Brennstoffe beenden, und dies wird eine beispiellose internationale Zusammenarbeit erfordern.

Julia Steinberger ist Direktorin von CLIMACT, dem Center for Climate Impact Action