März 25, 2021

Mehr zu sozialen Rechten

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Historische Kontinuitäten von Kolonialismus und Imperialismus sowie die aktuelle weltweite Expansion des Kapitalismus strukturieren und prägen globale Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Transnationale Konzerne untergraben Menschenrechte, Umweltschutz und Arbeitsrechte. Dabei können sie sich auf internationale Abkommen berufen, die die Rechte privater Investoren und den sogenannten Freihandel schützen. Für diese Konzerne ist das transnationale Recht in erster Linie zu einem Herrschaftsinstrument geworden, um ihre Interessen durchzusetzen. Ihr Handeln geht Hand in Hand mit der „imperialen Lebensweise“ der Länder des Globalen Nordens – einer Auslagerung ihrer sozialen und ökologischen Kosten vor allem in den Globalen Süden bei gleichzeitiger Abschottung ihrer Grenzen – und einer erschreckenden gesellschaftlichen Normalisierung rechtspopulistischer und fremdenfeindlicher politischer Haltungen.

Allerdings gibt es auch auf transnationaler Ebene einen Korpus sozialer Rechte. Bereits die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) von 1948 enthält ein klares Bekenntnis zur Unteilbarkeit und Interdependenz von politischen und sozialen Menschenrechten. Der 1966 verabschiedete UN-Sozialpakt kodifiziert weitreichende Rechtsnormen, wobei sich die Unterzeichnerstaaten rechtsverbindlich verpflichten, zumindest den Kerngehalt dieser Rechte umzusetzen. Die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation bieten einen Rahmen für die internationale Umsetzung von Mindestarbeitsnormen, für den Schutz der Rechte von Wanderarbeitern und indigenen Völkern. Und soziale Rechte sind auch in der Europäischen Sozialcharta verankert.

Bereits in den 1990er und 2000er Jahren hatten globalisierungskritische Bewegungen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen eine Debatte über „Globale Soziale Rechte“ angestoßen, die sich auf diese Abkommen beziehen. Die Forderung lautete damals, der Globalisierung von Kapital, Märkten und Gütern eine Globalisierung der sozialen Rechte entgegenzusetzen. Die globale Finanzkrise, die 2008 begann, setzte dieser Diskussion ein vorläufiges Ende.

Die Revolten des Arabischen Frühlings von 2011 haben jedoch die Kämpfe um soziale Rechte neu entfacht. Die „Bewegungen der Plätze“ in Südeuropa und den USA stellten sich gegen die Politik des neoliberalen Autoritarismus. Internationale Kampagnen wie die Clean Clothes Campaign begannen, die Kämpfe der Arbeiter*innen um Rechte in den Produktionsketten der globalen Bekleidungsindustrie sichtbar zu machen. Auch transnationale soziale Bewegungen für Klimagerechtigkeit und Energiedemokratie gewannen an Kraft, ebenso wie die bereits seit vielen Jahren existierende, global vernetzte Landlosenbewegung Vía Campesina. Ein Ausgangspunkt der Bewegungen, Netzwerke und Kämpfe war es, transnationale und rechtebasierte Antworten auf die globalen sozialen Konfliktlinien und die zugrundeliegende asymmetrische Architektur der Nord-Süd-Beziehungen zu finden. Dieser Aspekt wurde auch in die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung aufgenommen, die 2015 von den Mitgliedsstaaten der UNO verabschiedet wurde. Die Agenda formuliert 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Ein wichtiger Anspruch der 2030-Agenda war, dass die Menschenrechte die Grundlage der SDGs bilden sollen.

Während das Modell der imperialen Lebensweise und seine ökonomische Basis, das kapitalistische Dogma des ständigen Wirtschaftswachstums, an ihre Grenzen stoßen, ist globale soziale Gerechtigkeit nicht mehr nur eine ethische und politische Frage. Vielmehr holen uns die ausgelagerten Kosten der ungleichen Globalisierung schon heute ein – zum Beispiel in Form des Klimawandels. Die aktuellen globalen sozial-ökologischen Herausforderungen und die damit einhergehenden sozialen Konflikte, darunter Umweltveränderungen, aber auch wachsende Geflüchteten- und Migrationsbewegungen, entsprechende Risiken von Gewaltkonflikten, Ressourcenknappheit und extreme Ausbeutung in transnationalen Wertschöpfungsketten, machen eine transnationale Rechtspolitik, die „Globale Soziale Rechte“ wirksam verankert, dringend notwendig.

Vor diesem Hintergrund möchten wir die Debatten um „Globale Soziale Rechte“ in der Pluralen Linken und der organisierten Zivilgesellschaft durch einen Diskurs revitalisieren, der in unterschiedlichen politischen Kontexten und Kämpfen gerahmt werden kann, z.B. in Bezug auf das Lohnarbeitsverhältnis und das Profitprinzip der kapitalistischen Produktionsweise, patriarchale Machtstrukturen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, ethnisch oder national definierte Konzepte von Staatsbürgerschaft, rassistische Ausgrenzung sowie (neo)-koloniale Strukturen und die aktuellen Grenzregime. Die Umsetzung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Menschenrechte wird in diesem Diskurs als Voraussetzung für die Verwirklichung bürgerlicher und politischer Menschenrechte für alle Menschen gesehen, unabhängig von Nationalität, Herkunft, Wohnort, Geschlecht, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit. Das Projekt „Globale Soziale Rechte“ hinterfragt das globale kapitalistische, wachstumsorientierte Entwicklungsmodell, das, verwoben mit Rassismen und patriarchalen Strukturen, soziale Ungleichheiten schafft und zementiert. In diesem Zusammenhang sind Fragen der sozial-ökologisch-ökonomischen Transformation von besonderer Bedeutung.

Um mehr über „Globale Soziale Rechte“ zu erfahren, lesen Sie bitte die RLS Annotated Bibliography on Global Social Rights.