März 24, 2021

Porträt von Carole Clair und Joëlle Schwarz

Marie Fourquet

Medizin und Gender


Ich möchte Ihnen etwas über die einzigartige Arbeit von zwei Frauen erzählen, die ich bewundere. Carole Clair und Joëlle Schwarz leiten gemeinsam die Fachstelle Medizin und Gender an der Unisanté in Lausanne.

Ich habe das Glück, mit Joëlle befreundet zu sein, einer Soziologin und Doktorin der Epidemiologie. Dank ihr habe ich die überraschende Ungleichheit in der Diagnose und Behandlung zwischen Männern und Frauen entdeckt. Es ist eine wenig bekannte Tatsache, aber das Geschlecht der Patient*innen hat einen Einfluss auf ihre Gesundheit.

Ein einfaches Beispiel – die Sterblichkeitsrate von Frauen mit einem Infarkt liegt höher als bei Männern. Stereotypen verlangsamen die Diagnostik bei den Frauen und ihre Ärzt*innen denken bei Patientinnen eher an Angstzustände und stellen ihren Infarkt nicht rechtzeitig fest. Als meine Freundin Joëlle mir von diesem Fall erzählt, stelle ich mir natürlich einen alten, paternalistischen Arzt vor, der, da er Wissenschaftler ist, seiner Patientin nicht zuhören kann und ihr fälschlicherweise Anxiolytika verschreibt, während ihr Herz aufhört zu schlagen.


Lausanne, 19. Januar 2021. UNISANTE, Carole CLair und Joëlle Schwartz, Leiterinnen der Abteilung Medizin und Gender. Foto: Odile Meylan/24heures

Ich übertreibe vielleicht, rege mich auf, weil die medizinische Forschung historisch gesehen von Männern, an Männern und für Männer durchgeführt wurde. Aber zum Glück bin ich keine Ärztin und wenn ich wütend bin, interessiert das nur wenige. Carole Clair, Professorin für Medizin, und Joëlle Schwarz führen in erster Linie ein wissenschaftliches und aktivistisches Projekt durch. Das von ihnen geleitete Referat Medizin und Gender hat zum Ziel, den Einfluss von Geschlecht und Gender auf die Gesundheit zu erforschen und relevante Kenntnisse und Fähigkeiten an die entsprechenden Fachkräfte weiterzugeben, um so einen Beitrag zum Kampf gegen Ungleichheiten in der Gesundheit zu leisten.

Und es ist eine Mission von großer Tragweite!

Bei gleichem Schmerz werden Frauen oft schlechter versorgt, sie warten länger auf Schmerzmittel. Wenn eine Frau vor der Menopause mit dem Rauchen aufhören möchte, wird sie nicht ausreichend behandelt, denn für ihren Stoffwechsel müsste sie eigentlich höhere Mengen an Nikotinsubstituten erhalten. Es wurde auch festgestellt, dass bestimmte Chemotherapien bei Frauen eine andere Toxizität aufweisen und mehr Nebenwirkungen nach sich ziehen. Mir tut sich eine Welt auf, in der die geschlechtsblinde Medizin schwerwiegende Folgen für die Gesundheit von Frauen hat.

Joëlle weist jedoch darauf hin, dass dies nicht immer zum Nachteil der Frauen ist. Insbesondere bei Osteoporose und Depressionen werden sie besser behandelt. Auch Männer leiden unter der gesellschaftlichen Konstruktion von Geschlecht. Die Selbstmordrate bei Männern ist höher. Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass ein Mann, der für den Unterhalt der Familie verantwortlich ist, gefangen in einer Gesellschaft, die von ihm erwartet, dass er erfolgreich ist, sich nicht traut, sich seinem Arzt anzuvertrauen.

Wie können wir diese Ungleichheiten beseitigen?

Es beginnt mit der Sensibilisierung der künftigen Ärzt*innen für die Gender-Problematik. Die Universität Lausanne hat in den letzten Jahren mit mehreren Stunden Pflichtunterricht in Gender-Medizin Pionierarbeit geleistet. Carole Clair und Joëlle Schwarz arbeiten auch an der Entwicklung eines Indexes zur Geschlechtermessung. Das vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung unterstützte Projekt dient der gesundheitlichen Forschung in der Schweiz.

 Marie Fourquet lebt in Lausanne und ist Autorin, Drehbuchautorin und Radiokommentatorin für RTS.