März 22, 2021

Rosa Bloch-Bollag, eine revolutionäre helvetische Heldin

Kaya Pawlowska

Verfasserin der Präambel für den Feministischen Streik


Für diejenigen, die die scheinbare politische Ruhe der Schweiz kennen, mag dieser Titel widersprüchlich erscheinen. Aber es gab eine Zeit, in der durch ganz Europa ein Wind der Revolte zu wehen schien, angeheizt durch marxistische Pamphlete und das leise Gemurmel von Arbeiterversammlungen. Veränderung, wenn sie denn kommen sollte, musste von Männern getragen werden. Doch man hatte die Rechnung ohne Rosa Bloch-Bollag gemacht, ohne ihre extravagante Persönlichkeit, ihr journalistisches Talent und die Kraft ihrer visionären Überzeugungen. Ihr verdanken wir, dass sie mit der Organisation des Hungermarsches 1918 die Präambel für den Feministischen Streik geschrieben hat und dass sie gezeigt hat, wie wichtig die Stärke des Kollektivs in feministischen Kämpfen ist.


Portrait of Rosa-Bloch-Bollag
Foto: Schweizerisches Sozialarchiv

Rosa Bloch-Bollag wurde 1880 in eine verarmte jüdische Kaufmannsfamilie in Zürich geboren. Sie studierte Jura, was sie abbrechen musste, und wurde dann Verkäuferin in einem Schmuckgeschäft. Der Einfluss von Clara Zetkin und Rosa Luxemburg war in den ersten Frauenvereinen spürbar, so auch in der Schweizerischen Frauenunion, der sie bald beitrat. Die Gewerkschaft rief die Zeitung „Die Vorkämpferin“ ins Leben und sie wurde deren Chefredakteurin. Zu den Forderungen der Gewerkschaft gehörten das Wahlrecht für Frauen, ein Mindestlohn und die Kontrolle der Löhne von Frauen, die größtenteils Zusatzlöhne waren. Rosa Blochs Geschichte steht im Dienst des Kollektivs, aber ihre Feder verleiht einer einzigartigen, starken Stimme Ausdruck, die in der Lage ist, Arbeiterinnen zu mobilisieren.

Die Sozialistische Partei der Schweiz (SPS) begrüßt den Aufstieg der Frauen. Bereits 1912 sind die Mitglieder des Verbandes in die SSP integriert, die das Wahlrecht in ihre Forderungen aufnimmt. Rosa Bloch nahm den ihr gegebenen politischen Raum auf und wurde eine der Führerinnen der Frauenbewegung in der Partei. Im Jahr 1917 übernimmt sie die Leitung des Zentralkomitees für Frauenagitation, Vorläuferin der Sozialistischen Frauen Schweiz. In dieser Funktion war sie Mitglied des Oltner Komitees für den Generalstreik von 1918, das ansonsten ausschließlich aus Männern bestand. Bekannt ist, dass durch ihre Überzeugungskraft das Frauenwahlrecht ganz oben auf dem Forderungskatalog des Komitees gelandet ist. Trotz ihrer Bemühungen wird sie von der SPS nach nur einem Monat durch einen männlichen Parteigenossen ersetzt.

Rosa Bloch-Bollag gibt trotzdem nicht auf. Sie organisiert seit vielen Jahren Frauen und wird dies auch weiterhin auf der Straße tun. Als Arbeiterin konnte sie sehen, welchen Schaden die Preistreibereien der Regierung für lebensnotwendige Güter wie Brot oder Milch in den Haushalten anrichtet. Die prekären Löhne der Arbeiterinnen reichen nicht aus, um ihren Bedarf zu decken, da die Gehälter der Männer fehlen, die seit vier Jahren die Grenzen bewachen. Im Sommer 1918 organisiert Rosa einen Hungermarsch, um gegen die Preise und das Elend zu protestieren. 2000 Frauen folgen ihr. Auch Verbände bürgerlicher Frauen, die aus dem Anlass eine Petition erstellten, folgen ihr. Vor dem Zürcher Rathaus fordern sie eine Anhörung, die ihnen in der folgenden Woche gewährt wurde. Rosa hält eine Rede über die Ausbeutung und den Wucher; über die in der ganzen Schweiz berichtet wird. Nie zuvor hatte eine Frau in diesem Saal das Wort ergriffen und erst 1971 geschah dies erneut. Emilie Gourd und viele bürgerliche Frauen bewunderten den Kampfgeist der Arbeiterinnen. Nach dem Generalstreik sind die Verbände der Proletarierfrauen und der Bürgerinnen enger vereint als je zuvor.

Nach dem gescheiterten Generalstreik ist die Sozialistische Partei der Schweiz gespalten. Rosa Bloch-Bollag, getreu ihrer Herkunft aus der Arbeiterklasse und ihrer revolutionären Überzeugungen, gründet die Kommunistische Partei der Schweiz, gemeinsam mit anderen ausgetretenen Mitgliedern. Zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens war Rosa eine mächtige Frau geworden, sie war eine treibende Kraft, und das machte Angst. Sie wird vom Bundesrat bespitzelt, der über die Aktionen ihrer Gruppe berichtet. Zu dieser Zeit wird das Aufkommen der Dritten Internationale ernst genommen und im Zuge der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts durch den deutschen Staat im Jahr 1919 herrschte große Unruhe im Milieu. Als Rosa Bloch-Bollag 1922 infolge einer Operation an einem Kropf stirbt, glaubt ihr Mann an eine Verschwörung. Die Geschichte hat nie das Gegenteil bewiesen.

Von Kaya Pawlowska, Mitglied des Genfer Kollektivs des Feministischen Streiks und der Sozialistischen Frauen Schweiz