September 30, 2024

UN-Zukunftsgipfel: Eine verpasste Chance für die Zivilgesellschaft?

Eva Wuchold

Warum die Verwirklichung des Pakts für die Zukunft von einer echten Beteiligung der Zivilgesellschaft abhängt


Die Woche rund um den Zukunftsgipfel, der am 21. und 22. September 2024 in New York stattfand, war geprägt von einer Vielzahl von Side-Events, Workshops und Meetings – sowohl offiziell als auch inoffiziell. Diese Aktivitäten beschränkten sich jedoch nicht nur auf New York; sie wurden über Monate hinweg entwickelt, angetrieben von thematischen, von den UN geleiteten Konsultationen zu Frieden und Sicherheit, Klimaschutz und Menschenrechten. Diese Konsultationen zielten darauf ab, von den Mitgliedsstaaten und Interessengruppen Vorschläge zu erhalten, wie diese zentralen Themen auf dem Gipfel behandelt werden sollten. Als Teil der Vorbereitungen präsentierten die Aktionstage (action days), die am 18. und 19. September stattfanden, multilaterale Lösungen und sollten Maßnahmen zur Bewältigung globaler Herausforderungen forcieren. Regionale Konsultationen über Kontinente hinweg boten Ländern die Möglichkeit, spezifische regionale Herausforderungen und Prioritäten zu besprechen, während mehrere Jugendforen die zentrale Bedeutung der Beteiligung junger Menschen an der globalen Governance betonten.

Obwohl nicht ausschließlich auf den Gipfel ausgerichtet, lieferte die Veranstaltung Stockholm+50 (Juni 2022) Einblicke in die Umweltpolitik und nachhaltige Entwicklung und unterstrich die Bedeutung dieser Themen für zukünftige globale Kooperation. Verschiedene vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) organisierte Foren boten Plattformen für Diskussionen über Fortschritte bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und anderen globalen Themen. Die Lissabonner Erklärung (Januar 2023) brachte Interessengruppen zusammen, um die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die globale Regierungsführung zu erörtern. Das Nairobi-Treffen (März 2023), das von der kenianischen Regierung ausgerichtet und von den Vereinten Nationen mitgeleitet wurde, konzentrierte sich auf die Schaffung von Dynamik für den Zukunftsgipfel. Wichtige Themen wie digitale Zusammenarbeit, nachhaltige Entwicklung und die Rolle der Jugend in der globalen Regierungsführung standen im Mittelpunkt.

Diese Diskussionen verdeutlichten, dass die UN – trotz berechtigter Kritik – weiterhin der zentrale globale Ort ist, an dem sich die Zivilgesellschaft versammeln kann, um gemeinsam globale Herausforderungen anzugehen. Doch während der Pakt für die Zukunft globale Probleme benannte und Handlungsmöglichkeiten skizzierte, erfuhr er vom ersten Zero Draft bis zur endgültigen Fassung erhebliche Veränderungen. Wichtige Verpflichtungen, etwa zu fossilen Brennstoffen, zur digitalen Governance, zu Künstlicher Intelligenz, zum globalen Finanzsystem und zur Reform des UN-Sicherheitsrats, wurden im Laufe der Verhandlungen abgeschwächt.

Besonders besorgniserregend war, wie der Gipfel die geschwächte Position der Zivilgesellschaft in globalen Prozessen aufzeigte. Bereits im Vorfeld des Gipfels gab es erhebliche Bedenken hinsichtlich der eingeschränkten Beteiligung der Zivilgesellschaft am Zukunftsgipfel. Zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs) schlugen Alarm, weil ihr Zugang zum Gipfel eingeschränkt wurde. Den akkreditierten Organisationen war es nur gestattet, eine geringe Anzahl von Vertreter*innen zu entsenden, und einige Teilnehmer*innen durften lediglich an einem Tag der zweitägigen Veranstaltung teilnehmen. Dies weckte die Befürchtungen, dass die Stimmen marginalisierter Gruppen, junger Menschen und Frauen in diesen entscheidenden Diskussionen unterrepräsentiert sein könnten.

Die #UNmute-Initiative, der sich über 350 Organisationen wie CIVICUS, Amnesty International und Human Rights Watch angeschlossen haben, kritisierte die UN scharf für die unzureichenden Möglichkeiten, die der Zivilgesellschaft zur Beteiligung geboten wurden. Zwar waren virtuelle Konsultationen und schriftliche Eingaben erlaubt, doch viele Organisationen argumentierten, dass diese Mechanismen nicht die gleiche Wirkung oder den gleichen Einfluss haben wie eine direkte Teilnahme. Der Ausschluss der Zivilgesellschaft untergräbt das Bekenntnis der UN zur Inklusivität, insbesondere bei Diskussionen über globale Governance, Menschenrechte und Klimagerechtigkeit.

Dieses Problem spiegelt einen globalen Trend wider – den sogenannten „shrinking space“ für die Zivilgesellschaft, in dem zivilgesellschaftliche Organisationen zunehmend durch bürokratische Hürden und politische Repression eingeschränkt werden. Dies wurde auch im Pakt für die Zukunft deutlich. In den frühen Entwürfen des Pakts wurde die Notwendigkeit einer stärkeren Beteiligung der Zivilgesellschaft betont, doch diese Bestimmungen wurden in der endgültigen Version verwässert. Ebenso wurden die Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte und des zivilgesellschaftlichen Raums abgeschwächt. Zivilgesellschaftliche Organisationen hatten sich für stärkere Maßnahmen zum Schutz der bürgerlichen Freiheiten und zur Bekämpfung des globalen Trends zur Einschränkung des zivilgesellschaftlichen Raums eingesetzt, doch der endgültige Text enthielt keine robusten Mechanismen zur Rechenschaftspflicht oder zum Schutz von Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger*innen.

Die Folgen dieser Entwicklungen sind weitreichend. Finanzielle Kürzungen für die Zivilgesellschaft und soziale Bewegungen, die häufig auf Austeritätsmaßnahmen zurückzuführen sind, haben ihre Fähigkeit, zu agieren und die Politik zu beeinflussen, erheblich eingeschränkt. Diese Kürzungen betreffen sowohl direkte Mittelkürzungen für Nichtregierungsorganisationen als auch Einschränkungen der öffentlichen Haushalte, die traditionell die Arbeit der Zivilgesellschaft unterstützen. Viele CSOs sind auf staatliche oder internationale Zuschüsse angewiesen, um ihre Arbeit aufrechtzuerhalten. Austeritätspolitiken, die diese Mittel kürzen, erschweren es der Zivilgesellschaft, sich für politische Veränderungen einzusetzen oder grundlegende soziale Dienste zu erbringen. Basisbewegungen, die sich für soziale Absicherung, Menschenrechte und Klimagerechtigkeit einsetzen, kämpfen oft darum, ihre Aktivitäten angesichts dieser finanziellen Engpässe aufrechtzuerhalten.

Zivilgesellschaftliche Organisationen spielen eine zentrale Rolle bei der Vertretung marginalisierter Gemeinschaften. Doch Kürzungen der finanziellen Mittel und der „shrinking space“ für zivilgesellschaftliches Engagement schränken ihre Fähigkeit ein, diesen Stimmen auf internationaler Ebene Gehör zu verschaffen. Ohne ausreichende Ressourcen können diese Bewegungen nicht wirksam gegen regressive politische Maßnahmen vorgehen oder Menschenrechtsverteidiger*innen schützen. Diese kombinierten Belastungen führen dazu, dass der Raum für Aktivismus und demokratische Beteiligung enger wird, was es den CSOs zunehmend erschwert, sich zu mobilisieren, zu organisieren oder überhaupt an demokratischen Prozessen teilzunehmen.

Die Unterfinanzierung der Zivilgesellschaft und die Schwächung ihrer Rolle im Pakt für die Zukunft könnten erhebliche Folgen für die Verwirklichung der Ziele des Paktes haben. CSOs spielen eine entscheidende Rolle bei der Überwachung, Befürwortung und Umsetzung globaler Vereinbarungen, insbesondere bei der Sicherstellung, dass die Stimmen marginalisierter Gemeinschaften in globalen Entscheidungsprozessen gehört werden. Ohne eine starke Beteiligung der Zivilgesellschaft läuft der Pakt für die Zukunft Gefahr, den Realitäten der Menschen, denen er helfen soll, zu entgleiten. Ohne ausreichende Mittel und Beteiligung stimmen die auf globaler Ebene entwickelten politischen Maßnahmen möglicherweise nicht mit den Bedürfnissen marginalisierter Gruppen überein, was zu ineffektiven oder fehlgeleiteten Interventionen führen kann.

Die vollständige Verwirklichung des Pakts für die Zukunft erfordert eine umfassende Reform der Vereinten Nationen. Große Teile der globalen Zivilgesellschaft werden von ihren Regierungen bei den UN aufgrund geopolitischer und wirtschaftlicher Interessen, die oft von Elitegruppen vorangetrieben werden, nicht mehr angemessen vertreten. Diese Kluft zwischen der Zivilgesellschaft und den Staaten, die sie bei den Vereinten Nationen vertreten, stellt eine grundlegende Herausforderung für die Legitimität und Wirksamkeit der globalen Governance dar.

Die UN, gegründet auf dem Prinzip, „Wir, die Völker“ zu repräsentieren, hat sich von diesem Ideal entfernt. Um diese Verbindung wiederherzustellen, muss die UN-Reform eine stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft in den Mittelpunkt stellen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Basisbewegungen, marginalisierte Gemeinschaften und diejenigen, die am stärksten von globalen Herausforderungen betroffen sind, an den Entscheidungsprozessen teilnehmen. Wird die Zivilgesellschaft weiterhin an den Rand gedrängt, bleiben die ehrgeizigen Ziele des Pakts für die Zukunft – sei es die Bekämpfung des Klimawandels oder die Beseitigung der Armut – unerfüllt.

Letztendlich hängt die Verwirklichung des Pakts für die Zukunft davon ab, dass die UN zu ihrer ursprünglichen Vision zurückkehrt, alle Menschen zu vertreten und nicht nur die Interessen einiger weniger. Nur durch umfassende Reformen kann die UN eine inklusivere, nachhaltigere und gerechtere globale Zukunft schaffen.

Eva Wuchold ist Programmdirektorin für soziale Rechte im Genfer Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Seit sie 2012 zur Stiftung kam, spielt sie eine Schlüsselrolle bei der Förderung ihrer globalen Initiativen zu sozialen und Menschenrechten.