August 25, 2022

Mehr als nur brain drain – The great brain robbery

Jan van Aken und Berit Köhler

Internationale Abwerbung von Pflegekräften durch die Bundesregierung


Die Einwanderung ausländischer Gesundheitsfachkräfte ist kein neues Phänomen und auch keine deutsche Spezialität. Seit Jahrzehnten wandern gut ausgebildete Ärztinnen aus dem globalen Süden in reichere Länder aus, weil sie sich dort bessere Bezahlung und Lebensbedingungen erhoffen. Der reiche Norden spart dabei sehr viel Geld für die Schul- und Hochschulbildung der eingewanderten Fachkräfte und kann langfristige Fehlentwicklungen im eigenen Gesundheitssystem durch die kurzfristige Abwerbung von wichtigem Personal im Ausland zumindest eine Zeitlang ausgleichen – obwohl das natürlich den Fachkräftemangel in den Herkunftsländern massiv verschärft.

Aktuell zeigt sich das am Pflegenotstand in Deutschland (und nicht nur dort). Der große Mangel an Pflegekräften ist hausgemacht und eine direkte Folge der Profitmaximierung im Gesundheitswesen. Die Privatisierung der Krankenhäuser und das System der Fallpauschalen haben direkt zu einer extremen Arbeitsverdichtung in der Pflege geführt, bei schlechterer Bezahlung. Viele Pflegekräfte beklagen, dass eine gute Versorgung nicht möglich und immer öfter sogar die Patientinnen-Sicherheit gefährdet ist. Solange die Arbeit so stressig und das Geld so wenig bleibt, sind immer weniger Menschen in Deutschland bereit, in der Pflege zu arbeiten oder dort eine Ausbildung anzustreben.

Die Bundesregierung reagiert seit einigen Jahren mit einem ebenso einfachen wie verwerflichen Rezept: Es werden aktiv gut ausgebildete Fachkräfte im Ausland für die Pflege in Deutschland angeworben. Früher sprach man von einem „brain drain“, einem Abfließen von Wissen oder Erfahrung, wenn ausgebildete Menschen aus individueller Entscheidung in reichere Länder abgewandert sind. Heute müssen wir viel mehr von „brain robbery“ reden, denn mit den organisierten und gut finanzierten Abwerbeprogrammen der Bundesregierung werden andere Länder aktiv und gezielt ihrer Fachkräfte beraubt.

Berit Köhler und Jan van Aken haben für das Genfer Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung Studien zu globalen Gesundheitsfragen erstellt.