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Staaten gewähren Personen ihre Staatsangehörigkeit, aber sie folgen dabei unterschiedlichen Regeln. Zudem wenden sie diese Regeln mitunter in einer Weise an, die manche Menschen zu Staatenlosen macht. Das Völkerrecht hat versucht, die Lücken zu schließen, aber weniger als die Hälft e der Länder der Welt hat sich diesem Vorhaben angeschlossen.
Die Rechte und der Status von Staatenlosen werden im Wesentlichen durch zwei internationale Konventionen geregelt: das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 und das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961. Das Übereinkommen von 1954 defi niert eine Person als staatenlos, wenn „kein Staat [sie] aufgrund seines Rechtes als Staatsangehörigen ansieht“. Staatenlosigkeit ist defi niert als ein Rechtsstatus, der von den Gesetzen und Vorschriften der einzelnen Staaten abhängt. Staatsangehörigkeit und Staatenlosigkeit sind demnach also zwei rechtliche Konzepte, die einander spiegelbildlich gegenüberstehen. Weder die internationale Gemeinschaft noch die Vereinten Nationen können einer Person eine bestimmte Staatsangehörigkeit zuerkennen; nur Staaten haben diese Befugnis. Die Defi nition impliziert auch, dass der Staat über die Nationalität einer Person entscheidet und nicht diese Person selbst.
Entscheidend ist aber stets die tatsächliche Anwendung eines Gesetzes, nicht nur sein Wortlaut. So können einzelne staatliche Behörden Bestimmungen in ihrem Staatsangehörigkeitsrecht in einer Weise anwenden, die nicht dem Wortlaut des Gesetzes entsprechen. Sie tun dies beispielsweise aus Gründen rassistischer, ethnischer, religiöser oder politischer Diskriminierung. Bei der Bestimmung der Staatsangehörigkeit einer Person muss daher die tatsächliche Praxis mit beachtet werden. Darüber hinaus weist die Formulierung im Übereinkommen, dass ein Staat die Person „als Staatsangehörigen ansieht“, darauf hin, dass eine staatliche Stelle konkret über die Staatsangehörigkeit einer Person entscheiden muss, bevor sie als staatenlos bezeichnet werden kann.
Es wäre daher ein Fehler, von vornherein jede Person, die keine Geburtsurkunde oder keinen Personalausweis hat, als staatenlos zu betrachten. Denn in Wirklichkeit sind diese Personen zum größten Teil Staatsangehörige eines Landes, am häufigsten ihres Geburtslandes. Es mag sein, dass ihre Staatsangehörigkeit nicht geklärt ist oder sie von Staatenlosigkeit bedroht sind, aber rein rechtlich werden sie erst dann als staatenlos betrachtet, wenn eine Behörde des jeweiligen Staates ihnen die Staatsangehörigkeit verweigert oder aberkannt hat und sofern sie keinen Anspruch auf eine andere Staatsangehörigkeit haben. Sofern in der Definition der Begriff Nationalität verwendet wird, sind Nationalität und Staatsbürgerschaft als gleichbedeutend zu betrachten.
Zwar zählt das Übereinkommen von 1954 derzeit nur 94 Vertragsstaaten, doch viele seiner Kernpunkte haben sich mittlerweile als Völkergewohnheitsrecht durchgesetzt. Die Definition des Begriffs „Staatenloser“ kann daher als rechtlich bindend für alle Staaten angesehen werden, unabhängig von ihrem Beitritt zu diesem Übereinkommen. Überdies garantiert das Übereinkommen Staatenlosen bestimmte Menschenrechte, etwa Religionsfreiheit, den Zugang zu Gerichten, das Recht auf Arbeit und den Zugang zu öffentlicher Bildung.
Allerdings sind diese Rechte zumeist als staatliche Verpflichtungen und nicht als individuelle Ansprüche konstruiert. Darüber hinaus bleibt das Schutzniveau des Übereinkommens von 1954 oft hinter den in späteren Verträgen anerkannten Menschenrechten zurück, wie etwa den definierten Standards im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, beide von 1966. Außerdem sind im Übereinkommen von 1954 bestimmte Rechte an die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts von Staatenlosen im Land geknüpft. Dennoch bleibt es das einzige Übereinkommen, das den Status von Staatenlosen weltweit regelt, den Begriff der Staatenlosigkeit rechtlich definiert, grundlegende Menschenrechte für Staatenlose garantiert, die Staaten verpflichtet, ihnen Ausweispapiere und Reisedokumente auszustellen, und die Möglichkeit ihrer erleichterten und beschleunigten Einbürgerung vorsieht. Als solche spielt das Übereinkommen von 1954 weiterhin eine entscheidende Rolle für den Schutz von Staatenlosen.
Mehrere internationale Menschenrechtsinstrumente, allen voran die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, schützen das Recht auf eine Staatsangehörigkeit. Keines dieser Instrumente ist jedoch so konkret und unmittelbar anwendbar, dass es einen bestimmten Staat dazu verpflichten könnte, einer bestimmten Person ihre Staatsangehörigkeit zuzuerkennen. Diese Rechtslücke wurde durch das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 geschlossen. Es schreibt staatliche Pflichten fest, einer Person die Staatsangehörigkeit zu gewähren.
Die Grundprinzipien des Übereinkommens von 1961 haben als Ausgangspunkt erstens, dass ein Staat seine Staatsangehörigkeit einer auf seinem Hoheitsgebiet geborenen Person, die ansonsten staatenlos wäre, gewähren soll. Und zweitens soll er das Gleiche im Fall einer nicht auf seinem Hoheitsgebiet geborenen Person tun, sofern ein Elternteil Staatsangehöriger dieses Staates war und die Person ansonsten staatenlos wäre. Findelkinder sollten die Staatsangehörigkeit des Staates erhalten, in dem sie gefunden werden.
Darüber hinaus soll das Übereinkommen von 1961 sicherstellen, dass der Verlust oder Entzug der Staatsangehörigkeit nicht zu Staatenlosigkeit führt. Demnach darf ein Staat einer Person die Staatsangehörigkeit nicht entziehen, wenn sie ein solcher Entzug staatenlos machen würde. Eine Heirat oder eine Änderung des Personenstands darf nicht zum Verlust der Staatsangehörigkeit führen, wenn die betroffene Person dadurch staatenlos würde. Ehegatten und Kinder dürfen vom Verlust der Staatsangehörigkeit einer Person nur dann betroffen sein, wenn sie dadurch nicht staatenlos werden. Und nicht zuletzt darf die Aberkennung der Staatsangehörigkeit niemals auf rassistischen, ethnischen, religiösen oder politischen Gründen beruhen.
Das Übereinkommen von 1961 hat derzeit 75 Vertragsstaaten. Obwohl die Zahl der Beitritte in den letzten Jahren zugenommen hat, ist es noch ein weiter Weg bis zu einer universellen Anerkennung. Doch selbst wenn ein Staat nicht Vertragspartei ist, stellt das Instrument einen maßgeblichen Leitfaden dar, wie das Recht eines jeden Menschen auf eine Staatsangehörigkeit in der Praxis geachtet, geschützt und umgesetzt werden kann.
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The article was published in the Atlas of the Stateless in English, French, and German.